Heute wurde ein Interview von mir veröffentlicht für den Podcast „Apropos Psychologie“ des Junfernmann Verlags. Viel Spaß beim Hören!
Kategorie: Interviews
Interview mit Frau R. (Bewegungstherapeutin)

Liebe Frau R.,
Wir kennen uns schon eine Weile und ich schätze Sie als sehr kompetente, engagierte und empathische Bewegungstherapeutin im Klinikum Ludwigsburg. Meine Leser und ich würden gerne mehr über Ihre Arbeit als Bewegungstherapeutin erfahren. Danke, dass Sie Zeit haben.
Danke, für das Interview.
Warum ist Bewegung gut für die menschliche Psyche?
Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Geist und Seele.
Wenn ich meinen Körper wieder besser spüre, kann dies auch Einfluss auf meine Psyche nehmen. Wenn ich meinen Körper mehr spüre, nehme ich mich besser wahr, spüre Bedürfnisse und Gefühle oft deutlicher und kann mich leichter aus starren Gedanken befreien. Fühle ich mich z. B. Im Körper wieder beweglicher und freier , so kann das mein psychisches Befinden ändern, das ich mich dann evtl. auch leichter aus starren, kreisenden Gedankenmustern befreien kann.
Warum haben Sie beschlossen, Bewegungstherapeutin zu werden?
Ich bin ja auch Tanztherapeutin, für mich ist Bewegung und Tanz eine große Ressource in meinem Leben, oft hat mir Bewegung in schwierigen Situationen geholfen. Dies war dann auch eine Motivation dies weiterzugeben.
Wie ist Ihre Ausbildung?
Ich habe als erstes Erzieherin gelernt, dann Sozialpädagogik studiert und im Anschluss noch eine fünfjährige berufsbegleitende Ausbildung zur Tanz- und Bewegungstherapeutin absolviert.
Welche Eigenschaften muss eine gute Bewegungstherapeutin haben, um den Patienten möglichst gut helfen zu können?
Natürlich ist es wichtig selbst Bewegungsfreude zu haben sowie Empathie und Freude an der Arbeit mit Menschen.
Ich glaube, dass man die Arbeit gerne machen sollte, weil die Patienten spüren, wie man für sie da ist. Es ist ganz wichtig, sich nicht als , „Retterin“ zu sehen, sondern als Begleiterin im großen multiprofessionellen Team, es gilt Grenzen zu achten, wissen wo ich abgeben muss.
Ich bin sehr froh, hier im Team zu arbeiten, um sich Rat zu holen oder gemeinsam zu versuchen, Wege zu finden.
Können Sie uns einen Überblick über Ihre Tätigkeit als Bewegungstherapeutin geben?
Wir sind ein Team von Bewegungstherapeuten, in dieser Arbeitsstelle und hier bringt sich jeder mit seinen Qualifikationen ein. Wir sind Stationen zugeordnet, in Gruppen und Einzeltherapie versuchen wir, die Patienten zu aktivieren ( z.B.im Fitnessbereich, Walking Gruppen, Gymnastik, Tanz…) , oder wir unterstützen die Patienten sich zu entspannen ( z.B. durch Yoga, Chi-Gong, Entspannung nach Jakobsen…) Spielerische Bewegung ermöglichen, dass Patienten untereinander wieder in Kontakt kommen, Körperwahrnehmungsübungen helfen den Patienten sich selbst wieder besser zu spüren.
Mit welchen Zielgruppen arbeiten Sie hauptsächlich und welche Anliegen bringen diese in die Therapie mit?
Ein Großteil der Patienten haben Schizophrenie oder Psychosen. Die restlichen sind gemischt – Suchtpatienten, Depressionen, Demenz, manchmal auch Essstörungen, eigentlich der gesamte ICD-10 Katallog an Diagnosen.
Welche Form der Bewegung setzen Sie in Ihren Therapien ein?
Wir versuchen da sehr vielfältig aufgestellt zu sein, auch mit den Kollegen.
Ich selber biete Chi-gong an, wir haben auch Tanz- oder spielerische Bewegungsangebote oder Wahrnehmungsangebote. Wir haben auch einen Fitnessbereich und verschiedene Entspannungstherapien.
Eine Kollegin bietet noch Yoga an, andere Rücken-Therapie, verschiedene Entspannungstechniken,Sitzgymnastik, Gerätetraining im Fitnessbereich…. Wir haben auch Physiotherapeuten, welche funktional arbeiten. Wir schauen dann für jeden Einzelnen was passend erscheint.
Wie individuell passen Sie Ihre Übungen an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Klienten an?
Ich muss genau schauen, was dem Einzelnen funktionell möglich ist. Vielleicht hat er gerade körperliche Probleme oder Schmerzen. Unterschiedliches Befinden, erfordert das Patienten lernen, sich zu äußern, sich abzugrenzen oder für ihre Bedürfnisse einzustehen, hierbei unterstütze ich sie.
Ich bin sehr interessiert daran, dass ich Bewegungswünsche der Patienten mit berücksichtige, da diese oft große Ressourcen sein können.
Was sind speziell die Bedürfnisse von Menschen mit der Diagnose „paranoide Schizophrenie“ und wie gehen Sie auf diese ein?
Das kann auch innerhalb so einer Diagnose noch sehr unterschiedlich sein, was ein Mensch gerade braucht. Oft frage ich, wenn ich mit dem Patienten zusammengehe, ob er schon selber ein Gefühl hat was ihm gut tun könnte.
Aus meiner Erfahrung merke ich oft, dass es wichtig ist, reizarm zu arbeiten. Musik oder zu viele Personen im Raum sowie eine zu große Gruppengröße, können oft überfordern. Ich versuche sehr wachsam zu sein, ob ein Patient eher eine Kleingruppe braucht oder Einzeltherapie.
Ich erlebe öfters, dass gleiche Abläufe, ähnliche Settings, gleiche Räume, Sicherheit geben
Wenn man viel in Gedanken ist, spürt man oft den Körper weniger. Wenn wir wieder mehr den Körper wahrnehmen, ist das auch wieder so ein Schlüssel, einen anderen Bezug zur Realität zu kriegen. Oder auch eine andere Sicherheit in sich zu spüren.
Welche körperlichen und psychischen Verbesserungen können Klienten durch Bewegungstherapie erleben?
Durch körperliche Betätigung, kann ich erleben, dass ich mich z.B. mehr in meiner Kraft fühle, mich ausdauernder fühle und mich beweglicher fühle.
Ebenso kann ich mich ein Stück weit mehr in Kontakt mit mir selbst spüren und dadurch lernen, wie ich mich selbst besser regulieren kann.
Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Arbeit nennen, dass die positiven Effekte der Bewegungstherapie verdeutlicht?
Wir merken es immer, wenn aufgrund von Krankheit die Bewegungstherapie ausfällt. Dass dann die Ärzte sagen, sie kriegen oft die Patienten überhaupt nicht aus den Betten. Da fehlt einfach oft der Antrieb.
Im Bett wird auch die negative Gedankenspirale aktiviert, man fühlt sich oft noch kränker und hoffnungsloser.
Der mentale Zustand verschlechtert sich dann oft. Isolation und Einsamkeitsgefühle verstärken sich.
Das kenne ich auch von zu Hause, da war ich auch ganz viel auf der Couch. Da hat einfach der Antrieb gefehlt. Ich konnte mir nicht in den Hintern treten, um spazieren zu gehen oder irgendwas zu machen.
Genau. Oft braucht es einfach eine Struktur, die vorgegeben ist.
Das macht es so viel leichter.
Genau. Manchmal geht man zuerst auch nur wegen den Mitpatienten zur Therapie, oder weil man die Auflage hat zu gehen, und nachher denkt man, wie gut, dass ich gegangen bin. Anschließend sind viele auch zufrieden mit sich, dass sie für sich was gutes tun konnten, und können daraus auch mehr Selbstwertgefühl entwickeln.
Wie unterstützen Sie Klienten dabei, langfristig Motivation und Freude an Bewegungen zu entwickeln?
Zum Beispiel indem ich schaue: was hat dem Patienten vielleicht früher Freude gemacht?
Dann schaue ich, ob ich an die alten Ressourcen ansetzen kann.
Ich hoffe, dass meine Bewegungsfreude ansteckt. Das der Funke überspringt. Ich will vermitteln, dass es nicht um Leistung geht.
Viele Patienten kennen Bewegung und Sport mit großem Leistungsanspruch oder der Angst nicht zu genügen. Hier möchte ich vermitteln, dass Bewegung primär Freude bereiten kann und im angstfreien Raum statt findet. Ich will eine Haltung vermitteln, dass man auch anders an Sport und Bewegung herangehen kann.
Viele Menschen sind auch Perfektionisten und denken dann, man muss das jetzt alles perfekt machen. Das kenne ich auch von mir selbst. Dabei kann man sich auch nur einlassen auf die Freude an der Bewegung. Und nicht den Zwang haben, perfekt zu sein und Anerkennung zu bekommen.
Genau, für junge Menschen sind hier auch die soziale Medien erschwerend.
Es suggeriert, alle anderen schaffen alles, gehen ins Fitnessstudio, kriegen ihre ganzen Ziele hin, während ich z.B. nur spazieren gehe.
Wichtig wäre den Blick darauf zu richten, welche Qualität habe ich dabei? Wenn ich mich freue an der Natur, dann ist das auch gut. Und sich nicht zusätzlich zu stressen, wenn man die großen Ziele( noch) nicht hinkriegt.
Man denkt manchmal, das Leben der anderen sei perfekt.
Genau.
Was sind die größten Herausforderungen in Ihrer Arbeit?
Zu akzeptieren, dass man nur bedingt jemanden beistehen kann.
Wie ist die Situation zur Zeit im Klinikum hier von der Personalversorgung her?
Ich würde mir manchmal wünschen, es wäre auch jemand durchweg präsent auf der Station als Ansprechperson für Patienten. Also außerhalb der Pflege, mit dieser man einfach reden kann, wenn man sehr bedrückt ist oder wenn man mal jemand zum Spielen braucht. Oft sind Patienten auch überfordert, sich gegenseitig den Halt zu geben.
Deswegen interessiere ich mich ja auch so für die Rolle des Gemeinschaftsbegleiters.
Oh, das ist spannend.
Ich mache 2026 die Ex-In Fortbildung. Da macht man eine einjährige Fortbildung zum Genesungsbegleiter. Dieser ist dann in den Kliniken und redet mit Patienten. Was ich gut kann, ist, mich in kranke Menschen einfühlen und verstehen, was sie brauchen.
Damit die Leute nicht mit ihren Gedanken allein gelassen sind. Das finde ich total wichtig. Das kommt in unserem System einfach viel zu kurz.
Also was mir auch persönlich zu schaffen macht, sind die vielen jungen Menschen. Wenn sie Punkt 18 Jahre sind, landen sie hier in der Erwachsenen-Akut-Klinik. Sie bräuchten ein Kinder und Jugend Setting. Da sollte es mehr Personal geben und eher familiär zugehen und mehr Unterstützung, Kontinuität und Bezugspflege angeboten werden. Ich habe das Gefühl, denen wird man hier nicht gerecht.
Erleben Sie dass zunehmend junge Menschen in die Therapie kommen?
Ja, das ist deutlich spürbar. Ich beobachte, dass sie längere Aufenthalte haben oder immer wieder kommen. Weil sie einfach noch mehr Begleitung bräuchten.
Welche Rolle spielen Smartphones und Social Media?
Das ist meiner Ansicht nach ein großes Problem. Weil dadurch der Perfektionismus noch viel mehr angekurbelt wird und so eine Pseudo-Verbindung zu anderen Menschen aufgebaut wird.
Der/ Die Einzelne denkt dann oft er habe 200 virtuelle Freunde,hat aber eigentlich hat er/ sie niemand, der ihn/sie besucht. Es verzerrt die Realität noch mehr.
Wie bewahren Sie Ihre eigene mentale und körperliche Gesundheit in Ihrem Beruf?
Es ist wichtig, dass man wahrnimmt wie es einem gerade geht.
Wenn ich merke, dass ich irgendwas ganz belastendes mit nach Hause nehme ist es wichtig, dass ich noch einmal das Gespräch suche, mit Kollegen oder in der Supervision.
Ich bemühe mich, dass ich in meinem privaten Bereich eine gute psychische Gesundheit erhalte. Ich habe auch viel Bewegung in meiner Freizeit und viele gute soziale Kontakte.
Wenn ich selbst belastet bin, hole ich mir Hilfe, dass ich dann auch wieder hier präsent sein kann.
Das ist auch so ein bisschen psychologische Hygiene manchmal. Dass man sich vielleicht bei den Freunden ausheult und sagt: „Boah heute war so ein scheiß Tag“, oder „der Patient hat sich total gestresst heute“.
Das eher weniger, da es ja gilt die Verschwiegenheit einzuhalten.
Ich bin eher manchmal traurig, dass man nicht allen gerecht werden kann. Das belastet mich mehr.
Gibt es neue Trends oder Entwicklungen in der Bewegungstherapie, die Sie spannend finden?
Also ich persönlich finde die Traumatherapie sehr spannend.
Viele Patienten haben in früherer Kindheit Entwicklungstraumatas gehabt und hatten oft nicht ausreichend gute Bezugspersonen. Die Frage ist, wie kann ich Sicherheit oder Halt generieren für Menschen. Wie kann ich mit körperlichen Methoden unterstützen, dass Menschen ihren Körper wieder besser spüren.
Also Körperwahrnehmung, Traumaarbeit, weil das auch hier ein Stück weit einfließt. Und ansonsten einfach Freude an der Bewegung, Fortbildungen, in denen ich mir Impulse holen kann.
Was war der Inhalt Ihrer letzten Fortbildung?
Chi-Gong
Was inspiriert Sie an Ihrer Arbeit als Bewegungstherapeutin und an der Arbeit mit Menschen am meisten?
Ich finde es einfach unheimlich spannend, so viele unterschiedliche Menschen kennenlernen zu dürfen.
So viele unterschiedliche Lebensmodelle. Hier kann ich persönlich lernen, was Menschsein alles bedeuten kann.
Haben sie eine Lieblingspatientengeschichte?
Da gab es einen Mann, der sich für nichts öffnen konnte und nur im Bett lag und komplett abweisend war. Ich bin immer wieder zu ihm gegangen und irgendwann hat er mir erzählt, dass seine Frau hier im Klinikum gestorben ist.
Dann hat er sich doch öffnen können, zuerst nur im Gespräch aber da war auch so eine innerliche Bewegung, dass er mir Vertrauen geschenkt hat, mit dem was er erzählt hat. Anschließend sind wir dann im Krankenhaus all die Wege abgelaufen, welche er mit seiner Frau gelaufen ist und er hat er noch viel erzählt.
Erst als das Vertrauen und die Beziehung da war und ich ihn gesehen habe in seiner Trauer, konnte er sich ganz langsam auch auf etwas anderes oder auch auf die Gruppe einlassen. Also ist es immer wieder wichtig, jedem die Zeit zu geben und zu schauen, wo kann ich ihn wie abholen. Oft geht es zuerst darum, dass der Mensch sich abgeholt fühlt.
Das ist dann das Schöne, wenn der Mensch sich öffnet. Wenn Veränderung passieren kann.
Genau, zuerst versuche ich als Therapeutin die Beziehung aufzubauen, wenn es schwierig ist im Einzel-setting. Später gelingt es einem dann den Patienten meist auch in Gruppen zu integrieren und er kann dann davon profitieren.
Jetzt kommt eine spannende Frage. Viele Menschen würden gerne mehr Sport machen, aber können sich nicht überwinden.
Welche Tipps würden Sie Menschen geben, die mehr Bewegung in ihrem Alltag integrieren möchten? Wie können Menschen es schaffen, den Schalter umzulegen und in die Bewegung zu kommen?
Ich frage die Patienten oft, „gibt es vielleicht irgendwas, dass Ihnen früher Spaß gemacht hat?“ Gibt es im Kopf irgendwelche Blockaden, dass nur Fitness oder Leistungssport zählt? Also ich würde versuchen sehr niedrigschwellig zu arbeiten.
Und den Begriff ein bisschen erweitern.
Sie sagen es! Also von Sport zu „Bewegung im Allgemeinen“. Viele haben trotz allem einen Gewinn, wenn sie z.B.durch die Natur gehen (spazieren gehen, nur so weit wie sie wollen, und dann angenehmes wahrnehmen z.B. die Sonne genießen) . Es gilt auch kleine Erfolge zu würdigen. Oft hilft Gemeinschaft dabei in Bewegung zu kommen.
Außerdem gilt es zu schauen,ob Bewegung Freude bereiten kann, angenehme Körperwahrnehmung zu ermöglichen ist hier wichtig durch z.B. Lockerung, Atemübungen, Eigen oder Fremdberührung, Tanz…oder aber auch Anspannung abzubauen über Ausdauer und Kraftsport.
Diese kleinen Schritte können der Beginn sein wieder mehr in die Bewegung/ den Sport zu gehen.
Die kleinen Schritte sind glaube ich entscheidend.
Die kleinen Schritte sind sehr entscheidend.
Am besten, man fängt an mit, okay, ich jogge jeden Tag fünf Minuten. Und wenn ich dann auch nach den fünf Minuten Lust habe, dann kann ich weitermachen. Aber es ist halt immer so dieser erste Schritt. Das ist der Knackpunkt.
Was könnte der erste Schritt sein, ist immer die Frage. Kann ich den ersten Schritt auslösen? Braucht ein junger Mensch vielleicht jetzt auch einen männlichen Therapeuten, weil man zu dem einen leichteren Zugang hat.
Manchmal kann Musik unterstützen wirken. Ich frage mich: Was haben die Patienten denn früher gern gehört? Und wie haben sie sich dazu bewegt. Sollten diese Bewegungen nicht mehr möglich sein , können die Hände evtl. dazu tanzen. In der Sitzgymnastik habe ich hier echt schon Wunder erlebt mit älteren Menschen, die gar nicht groß in Bewegung gehen wollten. Angeregt von der Musik erzählten sie von ihrer Jugend, von Rock’n Roll . Auf einmal waren sie wieder zurückversetzt in die alte Zeit und konnten sich viel mehr bewegen. Auf einmal war die Freude da. Das war das Entscheidende.
Musik ist oft ein emotionaler Träger an dem man wieder ansetzen kann Menschen und Gefühle in Bewegung zu bringen.
Ich kenne es auch von mir, diese inneren Widerstände und dieses Thema, wie lege ich den Schalter um? Manchmal gelingt es, aber das Thema fasziniert mich. Wie findet man seinen persönlichen Schalter, den man umlegt?
Oft mit einer Person die man mag. Hier kann man manchmal leichter so einen Schritt gehen.
Welche Botschaft haben Sie an Menschen, die seit Jahren mit Schizophrenie kämpfen und nicht vorankommen?
Nicht aufgeben.
Und bitte immer Hilfe holen. Nicht alleine bleiben. Ich glaube, allein verzweifelt man.
Das Gefühl, dass wieder ein Mensch wirklich Anteil an einem nimmt, mit dem man sich wirklich verbunden fühlt, kann immer wieder neu ein Hoffnungsträger sein.
Ich glaube Einsamkeit, ist Gift für die Menschen, oder?
Ja, Verbundenheit macht die schlimmste Lage, sage ich mal, noch nicht gut, aber erträglicher und vielleicht wieder so, dass ein Hoffnungsfunke überspringt.
Habe ich auch schon oft erlebt, dass wenn es mir richtig schlecht ging, habe ich manchmal keine Energie, mich bei jemandem zu melden. Und wenn ich mich bei jemandem gemeldet habe, ging es mir gleich wieder besser.
Genau. Vielleicht ist es auch hilfreich, sich im Vorfeld eine Notfallliste zu schreiben, was es zu tun gilt, wenn es mir ganz schlecht geht. Hierzu gehört auch, dass ich weiß bei wem ich im Ernstfall anrufen kann um mir Hilfe zu holen.
Okay, das war das Interview. Vielen Dank!
Ja, vielen Dank, es hat mir Spaß gemacht.
Interview mit Frau B. (Musiktherapeutin)

Liebe Frau B., ich kenne Sie schon länger und ich erinnere mich gerne an unser
gemeinsames Musizieren im Rahmen der Musiktherapie im Klinikum Ludwigsburg. Sie haben ein großes Herz für Menschen und viel Liebe zur Musik und deswegen habe ich ein paar Fragen an Sie, die meine Leser interessieren könnten.
Können Sie uns einen Überblick über Ihre Tätigkeit als Musiktherapeutin geben?
Meine Anstellung in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin lässt mich musiktherapeutisch sowohl stationär, als auch in den angeschlossenen Tageskliniken wirken.
Wie sind Sie dazu gekommen, Musiktherapie zu Ihrem Beruf zu machen?
Ich mag Menschen, liebe Musik und beides zusammenzubringen ist ein sehr feines Feld. Musik ist ein Medium, welches die Menschen bereichert und sehr stark auf sie einwirkt. Schon im Mutterleib sind wir von Puls und Rhythmus umgeben und rhythmische Strukturen begleiten uns später durch das ganze Leben.
Mit Musik erreicht man die Menschen über all seine Sinne; deshalb war Musik für mich schon immer ein faszinierendes Feld.
Was für Menschen kommen zu Ihnen in die Therapie?
Aktuell sind das Menschen, welche psychisch erkrankt sind.
Welche persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften sind für einen Musiktherapeuten besonders wichtig?
Man sollte Mensch und Musik achten und sollte mit den Instrumenten auf „Du“ sein;
das heißt, einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit allen Instrumenten haben.
Sie dürfen die Aufmerksamkeit durch mangelnde Übung nicht binden – diese muss
ausschließlich beim Gegenüber sein können.
Außerdem ist der bewusste Umgang mit der Stimme als weiteres, wertvolles Musikinstrument mir persönlich sehr wichtig.
Kommen Sie morgens gerne zur Arbeit?
Ja.
Wie lange machen Sie diesen Job schon?
Seit 13 Jahren.
Welche Ausbildung bzw. welchen akademischen Hintergrund haben Sie?
Begonnen hat meine Ausbildung am Klavier mit dem 6. Lebensjahr.
Später dann Abitur an einem musischen Gymnasium mit Musik als Hauptfach.
Anschließend Musikstudium mit Kernfächern Klavier, Querflöte, Gesang und Chorleitung und letztlich das Masterstudium zur Musiktherapie
Haben Sie sich auch auf eine Masterarbeit geschrieben? Was war das Thema?
Singen, Atmung und Singstimme im Masterstudium der Musiktherapie.
Was bedeutet Musik für Sie?
Musik bedeutet für mich alles. Musik ist Leben. So wie wir Musik wahrnehmen, nehmen wir auch das Leben wahr. Da finden sich unglaublich
viele Überschneidungen.
Also, mir ist ja auch aufgefallen in unseren Therapiestunden, dass Sie so lieben zu
philosophieren in dem Sinne, wie man Leben und das, was musikalisch gerade passiert, vergleichbar ist. Das finde ich immer ganz spannend.
Es sind so viele Dinge, die wirklich ähnlich sind.
Wir können nicht immer nur aktiv sein – wir brauchen auch Pausen und eine Balance zwischen „viel“ und „wenig“.
In der Musik ist es genauso. In jedem Musikstück gibt es Töne, Klänge und Pausen.
Es gibt Regeln, welche in der Musik hörbar werden und die im Leben genauso gelten.
Man muss nur hinhören.
Welche Musik hören Sie privat am liebsten?
Jede, abhängig von der Stimmung. Klassik, Jazz, Pop…
Was halten Sie von Rockmusik?
Auch sehr gut – das ist Musik die noch richtig selbst gemacht ist.
Insbesondere die Bands der 70 Jahre haben richtig gute Musik auf dieser Erde hinterlassen.
Klassikrock und 70er liebe ich auch total
Es ist das wunderbar Schöne, dass Musik so viele Farben hat, dass man sie wirklich auch immer und überall für sich passend einsetzen kann.
Warum ist Musik und kreativer Ausdruck allgemein gut für die Seele?
Weil es ein Medium ist, das das Innen nach außen zu bringen zu bringen in der Lage ist. Ein sehr feines, weiches Medium, welches in unser Nervensystem dringt.
Insbesondere die Stimme, unser Tor von innen nach außen, bringt uns in Kontakt mit der Umwelt. Wir teilen uns damit verbal und klanglich mit.
Wie können psychisch kranke Menschen von Musiktherapie profitieren?
In jeglicher Form.
Das Schöne ist, dass Musik jeden Menschen dort abholt, wo er gerade steht. In seiner
Stimmung, in seinem Krankheitsbild, in seinem Jetzt-Da-Sein, in seinem Energiefeld.
Haben Sie ein Beispiel oder ein Erlebnis mit einem Klienten, der in der Musiktherapie
aufgeblüht ist und davon besonders eine Veränderung erfahren hat
Ein reales Beispiel ist mir leider nicht gestattet aber der Mensch, welcher sich auf Musik einlässt, erfährt sie auf allen Kanälen- auditiv, haptisch, optisch und sensitiv.
Dieses Feuerwerk der Sinne verändert den Menschen.
Und Veränderung brauchen wir, damit wir in die richtige Richtung gehen, oder?
Richtig, Veränderung zu akzeptieren, bedeutet aber auch Bereitschaft für Energieeinsatz.
Viele Menschen halten sich für unmusikalisch. Wie motivieren Sie diese, sich auf die
Musiktherapie einzulassen?
Leider ist das so. Ein Mensch, welcher kein Instrument erlernt hat und vielleicht keine Noten lesen kann, ist deshalb aber nicht unmusikalisch.
Wichtig ist, neugierig zu sein, sich auf Neues einzulassen und einem Ausprobieren gegenüber aufgeschlossen zu sein.
In der Musiktherapie gibt es kein Spiel nach Noten, es gibt kein Richtig und Falsch.
Bilden Sie sich weiter? Was gibt es noch für Sie zu lernen, um eine noch bessere
Musiktherapeutin zu werden? Was war Ihre letzte Fortbildung, wenn Sie eine hatten?
Ja, ich bilde mich gerne weiter und mache immer wieder Fortbildungen.
Den eigenen Geist zu erweitern, empfinde ich persönlich als etwas sehr, sehr Heilsames und Öffnendes.
Bodysong und Bodypercussion, Klangschalenmassage, Humor als Therapeutikum.
Ist Perfektionismus der Feind von musikalischem „Wohlbefinden“?
Nicht ausschließlich – Perfektionismus bringt uns auch weiter.
Ab und zu loszulassen und frei sich dem Gestaltungsprozess zu überlassen macht kreativ. Entdecken, geschehen lassen.
Wenn wir etwas perfekt abgeben wollen, macht das uns gleichzeitig fest;
wir verlieren unsere Lockerheit.
Ich muss gerade ehrlich sagen, bei manchen Instrumenten kenne ich mich ja auch ein bisschen aus und dass ich dann schon voll den Performance-Druck habe.
Also wenn ich spiele, dann denke ich, also während dem Spielen, während das nicht so ganz, aber generell, im Allgemeinen möchte ich irgendwie jemanden beeindrucken oder lieb gehabt werden oder wie soll ich sagen. Das ist ja für viele Künstler ja auch typisch.
Ja, da ist was dran.
Perfektionismus, wie gesagt, bringt uns auch weiter. Es ist eine wesentliche Sache, um überhaupt zu lernen und sich zu fordern.
Dabei ist auch hier die Balance wieder ein Thema; Balance zwischen Arbeit und Kreativität.
Was sind spezifische Bedürfnisse von Menschen mit paranoider Schizophrenie? Wie begegnen sie diesen und wie können diese von der Musiktherapie profitieren? Gibt es da Unterschiede? Gibt es da was, was man besonders berücksichtigen muss?
Es gibt so viele Unterschiede, wie die Menschen unterschiedlich sind.
Es gibt Grundbedürfnisse, die in jedem Menschen angelegt sind und eines der wesentlichen
Grundbedürfnisse ist Rhythmus und Sehnsucht nach Harmonie.
Mit Rhythmus kann ein gewisses Erden erreicht werden.
Und das ist wesentlich in dieser Krankheitsform.
Das ist in dieser Krankheitsform sehr wichtig, kenne ich auch von mir selber. Wenn ich mit meinem Kopf bin und davon fliege, dann kann ich gar nichts mehr machen. Jetzt war ich am Samstag zum Beispiel auf der Bärenwiese und habe einfach mal 20 Minuten Qigong gemacht, um mich zu erden.
Das wäre auch wieder wie so ein Baum manchmal und der ist ja auch tief verwurzelt.
Welche Kategorien von Instrumenten gibt es und wie werden diese eingesetzt?
Saiten-, Holz-, Fell-, und Metallinstrumente.
Eingesetzt werden sie je nach Befinden und Bedarf.
Wenn Sie ein Instrument auf einer einsamen Insel mitnehmen würden, welches wäre das?
Vermutlich würde ich mit dem gehen, mit dem ich begonnen habe. Ich habe mit dem Klavier begonnen.
Ich habe ja als Kind auch Keyboard gespielt, fünf Jahre. Und viel, viel, viel später, als ich dann auch hier im Krankenhaus mal wieder am Klavier saß, habe ich dann ein bisschen da experimentiert, also ein bisschen angefangen. Dann habe ich gemerkt, dass da viel, viel noch mehr da ist, was ich völlig vergessen hatte, was ich improvisieren kann.
Das ist wie Fahrrad fahren. Das bleibt einfach hängen.
Das ist das Besondere, weil es sind diese Spuren, die natürlich im Kopf angelegt sind.
Je früher man anfängt, desto stärker und desto tiefer ist es auch. Und es geht auch nie verloren. Das ist tatsächlich wie Fahrrad fahren.
Was ist das Besondere an gemeinsamen Trommeln?
Das Besondere an gemeinsamen Trommeln ist sicherlich, dass wir wirklich da alle gemeinsam ankommen können. Es beginnt mit dem Puls – unser Puls, den wir alle gemeinsam natürlich auch fühlen können.
Und das Besondere, wenn wir beim Trommeln sind ist, dass wir die Möglichkeit haben, entweder im Puls zu bleiben oder auch zu erweitern. Wir können die Veränderung einbringen oder auch sein lassen. Das ist auch wieder wie im Leben.
Wir können einfach experimentierfreudig sein. Oder wir können uns sicher fühlen und bleiben in diesem Pulsgefühl. In einem gleichmäßigen, sicheren Feld.
Und auf der Basis vom Puls kann ja auch dann ganz viel Variation und viele kleine Details reinkommen.
Wenn man gemeinsamen Puls hat, dann lässt sich das auch natürlich wunderbar aufbauen.
Also es kann immer etwas Besonderes draus werden.
Viele Menschen sagen ja, oh Gott, ich kann nicht singen. Wie motivieren Sie Menschen dazu, die Stimme zu erheben? Oder wie gehen Sie mit Gesang in der Musiktherapie um?
Es ist natürlich, die Stimme ist was sehr Besonderes, weil es so persönlich ist. Das sind wir wirklich selbst in Reinform – unser Atem wird tönend.
Wir sprechen mit der Stimme, lassen uns auch hier vom Klang tragen.
Meine Erfahrung zeigt, wenn man selbst aufgeschlossen mit der eigenen Singstimme umgeht, tun das andere im Verlauf auch.
Weil man vielleicht auch manches nicht zeigen möchte. Man möchte ja auch nicht
gesehen werden in allem, was in Einem einem geschieht.
Ja es ist sehr persönlich. Und deswegen ist jedes andere Instrument oftmals die erste Wahl.
Weil noch etwas zwischen mir und dem Außen ist.
Mit der Singstimme wird die Atemphase wird verlängert.
Damit wird mehr Sauerstoff transportiert. Man fühlt sich hinterher wohler, wenn man gesungen hat. Gleichzeitig kommt noch dazu, dass die Stimmbänder ja Vibrationen hervorrufen. Die massieren über die Körperflüssigkeiten den ganzen Körper, alle Organe,Sehnen, Knochen, Bänder, Nerven – hier wäre der Vagusnerv zu nennen.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit als Musiktherapeutin?
Den Beruf nicht mit nach Hause zu nehmen.
Da kommen wir auch zu einer wichtigen Frage. Wie bewahren Sie Ihre eigene emotionale Gesundheit bei der Arbeit?
Ich versuche, einen privaten Ausgleich zu schaffen.
Ich liebe schöne Musik, Kunst und die Natur und versuche auch im Außen immer das Schöne zu sehen, hören, riechen und fühlen.
Was inspiriert Sie an der Arbeit mit Musik und mit Menschen?
Die Musik selbst, ihre Töne, die Klänge, die Klangfarben und natürlich der Mensch selbst.
Wird sich Musiktherapie in den nächsten 10 Jahren verändern? Gibt es neue Trends?
Ganz sicher.
Er wird sicherlich noch vieles passieren in den nächsten 10 Jahren.
Trends gibt es immer wieder – die Aufmerksamkeit bezüglich der Musiktherapie verändert sich stetig. So war letztes Jahr war das Jahr der Stimme.
Gibt es Bereiche, in denen Musiktherapie mehr Anerkennung oder Unterstützung benötigt?
Man sollte schon in den Grundschulen den Ansatz von Musik und Musiktherapie etablieren.
Der Mensch braucht Musik – immer mehr. Insbesondere in dieser Technik-lastigen Zeit.
Wie denken Sie über den Satz, in jeder Krise steckt eine Chance?
Das ist tatsächlich so. Ich halte den Satz für richtig, aber es ist natürlich auch anstrengend.
In dem Moment, in dem man in der Krise ist, kostet es viel Kraft und zehrt an uns.
Hat man die Krise durchlaufen, entdeckt man oft, dass man in ihr viel mehr gelernt hat, als in den bequemen, lockeren Zeiten.
Die Realität ist manchmal ein bisschen hart.
Das ist leider wahr – um so wichtiger, dass wir uns ein starkes Medium an die Seite holen. Musik kann dabei sehr heilsam sein.
Das habe ich auch ein paar Mal erlebt in der Musiktherapie.
Auch bei dieser Session, wo ich total erschöpft war, was man mir manchmal auch ansieht. Jetzt gehe ich doch mal ans Klavier und dann bin ich fünf Minuten weg, voll im Flow und danach geht es mir einfach besser.
Was möchten Sie Menschen und ihren Angehörigen, die mit der Krankheit hadern,
mitteilen, um ihnen Mut zu machen?
Aus jeder Krankheit nimmt man immer auch besondere Erfahrungen mit.
Jede Krankheit ist ein Prozess, denn wir begleiten, der viel Energie fordert.
Tief durchzuatmen und ihn zuversichtlich mitzugehen trägt.
Wir fühlen uns manchmal ausgeliefert.
Selbst aktiv mitgestalten und die Gewissheit, selbst einwirken zu können
kann dieses Gefühl kleiner machen. Es liegt an uns, welche Seite wir füttern.
Das war ein schöner Schlusssatz, glaube ich. Damit wäre das Interview am Ende. Vielen Dank.