Der Sinn von Arbeit
Arbeiten ist ein wichtiger Teil im Leben eines erwachsenen Menschen. Auch Menschen mit Schizophrenie. Wir brauchen Arbeit nicht nur um Geld zu verdienen um unsere Rechnungen zu bezahlen, sondern sie strukturiert auch den Tag, sorgt für Erfolgserlebnisse, schafft Gemeinschaft und Selbstwirksamkeit.
Auch für psychoseerfahrene Menschen ist Arbeit wichtig um gesund zu bleiben. Es gelten aber etwas andere Regeln als für ganz gesunde Menschen.
Überlastung vermeiden (Nein sagen)
Im Laufe meiner beruflichen Laufbahn habe ich mehr sehr viel zugemutet. In meinem ersten Job als Softwareentwickler waren 11 Stunden Arbeit täglich und Schaffen am Wochenende keine Seltenheit. Wir hatten einen wichtigen Kunden dem es die Chefetage recht machen wollte und es herrschte großer Termindruck. Ich habe mir diese Belastung über Jahre zugemutet weil ich dachte “das ist einfach so” und ich MUSS (Siehe Artikel Perfektionismus).
Rückblickend ist es kein Wunder dass ich nach 3 Jahren intensiver Überforderung im Krankenhaus landete und 1,5 Jahre pausieren musste. Im Anschluss versuchte ich wieder in dieser Firma Fuß zu fassen, wurde aber kurz nach meiner Ankunft gefeuert.
In meinen späteren Jobs war Überforderung am Arbeitsplatz immer wieder ein Thema. Die letzten 4 Jobs, die ich die letzten 2 Jahre hatte bin ich jedes mal in der Probezeit rausgeflogen. Ich gab mir sehr große Mühe aber durch meine starken Ängste war ich den Anforderungen einfach nicht gewachsen. Ich hatte versucht 80% zu arbeiten und wollte einfach nicht einsehen dass ich nicht mehr so leistungsfähig bin wie früher.
Im Sommer 2023 nach einem Aufenthalt in der Tagesklinik bin ich wieder in den nächsten Job und in die nächste Überforderung gerannt. Meine Therapeutin versuchte mich zu warnen aber ich wollte nicht hören und dachte ich MUSS arbeiten und etwas leisten. Ich war die ersten 2 Tage zur Einarbeitung in Augsburg. Ich quälte mich durch und versuchte die Ängste wegzudrücken und zu funktionieren weil ich dache ICH MUSS. Es gab keine Möglichkeit sich zurückzuziehen, ich war in einer fremden Stadt weit weg von zuhause.
Die zwei Tage gingen vorbei und ich begann mit wenig Erfolg meine Arbeit im Homeoffice. Nicht nur war die Arbeitszeit viel zu lang, auch inhaltlich war der Job nicht das richtige für mich und ich hatte nicht die geforderten Skills. Nach 4 Wochen flog ich raus und eine weitere Krankenhausphase im Herbst 2023 begann.
Heutzutage würde ich mir diese Überforderung nicht mehr antun. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und eingesehen dass ich einfach nicht mehr so belastbar bin. Ich habe gelernt “nein” zu sagen und mich vor Überforderung und crunch time (intensive zeiten der Programmierung auch bei Nacht) ist einfach nicht mehr drin. Ich habe gelernt Rücksicht auf mich zu nehmen.
In meinen Homeoffice Tagen habe ich mich immer wieder an den Laptop gequält, hatte große Ängste vor Meetings und etwas falsch zu machen. Und Fehler habe ich so auch viele gemacht. Wenn es gar nicht mehr ging, habe ich mich stundenlang gequält ob ich mich für den Rest des Tages krankschreiben lasse oder mich weiter quäle. Warum habe ich mir das angetan?
Wenn ich wieder in eine solche Situation komme, ich kann einfach schreiben “Sorry, mir geht’s nicht gut. Tschüß bis morgen.” und fertig. Egal, was die Chefs und Kollegen denken. Meine Gesundheit hat Priorität!
Die Berufung finden
Wenn Sie einen Beruf haben, stellen Sie sich die Frage: Macht mir die Arbeit eigentlich Spaß? Würde ich sie auch machen wenn ich kein Geld dafür bekommen würde? Haben Sie einen Traum, wären gerne selbstständig, haben eine gute Geschäftsidee oder würden gerne ein Hobby zum Beruf machen, aber sie müssen Ihre Rechnungen bezahlen und wagen den Schritt nicht?
Finden Sie Ihre Berufung und die Arbeit und Ihr Leben werden Ihnen wesentlich leichter fallen.
Ich glaube dass ich 13 Jahre im falschen Job gearbeitet habe. Ich mag meine Programmier und Designskills und manchmal macht es immer noch Spaß (und ich brauche das Geld), aber meine wahre Berufung ist es Menschen mit Schizophrenie zu helfen und ihnen Mut zu machen. Deswegen betreibe ich diesen Blog und möchte mittelfristig eins zu eins Coaching anbieten und Workshops durchführen. Das ist mein Auftrag und meine Berufung, von der ich irgendwann mal leben will.
Sind sie überfordert und desinteressiert an ihrem Job? Dann müssen Sie sich beruflich verändern! Das Leben ist viel zu kurz um ein Drittel des Tages mit etwas zu verbringen was keine Freude macht.
Wenn man das WARUM hat dann ist das WIE deutlich leichter zu tragen.
Das Thema Krankheit bei der Jobsuche
Ein wichtiger Rat: Gehen Sie nur auf Jobsuche wenn Sie sich ausreichend stabil und belastbar fühlen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten darüber.
Wenn Sie dann auf Jobsuche sind stellt sich immer die Frage “Wie kommuniziere ich meine Krankheitsgeschichte?”. Ich habe mich in den letzten Jahren immer wieder erfolgreich beworben. (Den Job dann zu “behalten”, war das Problem).
Dabei bin ich in den ersten Bewerbungsgesprächen offen mit meiner Geschichte umgegangen. (im Anschreiben noch nicht) Ich berichtete den Gesprächspartnern mit Bezug auf meinen Lebenslauf dass ich einen Burnout hatte weil ich mich überfordert hatte. Dabei ist es wichtig, den alten Arbeitgeber nicht schlecht zu reden, sondern zu loben was positiv war.
Ich berichtete weiter dass ich aus dieser Zeit viel über mich gelernt habe, dass ich mich stabilisiert habe und dass ich Tools und Methoden zum Stressmanagement erlernt habe, die mir helfen langfristig gesund zu bleiben. Das Wort “Schizophrenie” habe ich erst mal vermieden, da viele Menschen damit nichts anfangen können und zum Beispiel an “gespaltene Persönlichkeiten” denken.
Die Gesprächspartner freuen sich in der Regel wenn man ehrlich ist und seine Krankheitsgeschichte offen anspricht. Sie wollen wissen ob der Kandidat JETZT in der Lage ist die geforderte Leistung zu erbringen. Sie wollen einen NUTZEN vom Kandidaten haben. Der Lebenslauf muss daher nicht perfekt sein und darf Lücken haben, argumentieren Sie so, dass die Lücke im Lebenslauf rückblickend ein Erfolg ist weil Sie ihre Grenzen bewusster wahrnehmen und sich als Mensch weiterentwickelt haben.
Schizophrenie und Vorgesetzte
Je nachdem welches Vertrauensverhältnis Sie zu Ihrem Chef haben, eröffnen Sie ihm im Gespräch dass Sie nicht so leistungsfähig wie ihre gesunden Kollegen sind und bitten Sie ihn in der täglichen Arbeit Rücksicht zu nehmen. Informieren Sie ihn dass es manchmal schlechte Tage gibt, damit sie ein gutes Gewissen haben können auch mal früher Schluss zu machen.
Vereinbaren Sie ein wöchentliches Meeting mit Ihrem Chef, wo besprochen wird wie es gerade gesundheitlich läuft.
Den richtigen Job finden
Seit etwa einer Woche habe ich einen neuen Nebenjob als Webentwickler und arbeite für einen Freund der eine Webdesignfirma hat und mir erste Aufgaben gegeben hat. Der Job ist ein 6er im Lotto. Ich arbeite in der Regel morgens zwischen 6:00 Uhr und 8:30 Uhr. Die Arbeit ist fachlich mit meiner Berufserfahrung ein Kinderspiel, die Zeit geht im Handumdrehen vorbei und macht mir große Freude. Es ist das gute Gefühl etwas zu leisten und gute Arbeit zu machen. Mein Freund ist mit meiner Arbeit bisher sehr zufrieden. Die Arbeitszeit ist meiner aktuellen Leistungsfähigkeit angemessen und ist genau “richtig”. Ich verdiene auch ganz gut, worüber sich mein überlastetes Bankkonto freut.
Wenn Sie auf Jobsuche sind oder schon einen Job haben, versuchen Sie in Teilzeit zu arbeiten. Zwischen 2 und 4 Stunden. Wenn Sie sich nach einer Weile richtig gut bei der Arbeit fühlen können Sie versuchen Ihre Stunden langsam zu steigern. Nehmen Sie dabei immer Rücksicht auf ihre aktuelle Belastbarkeit und muten sich nicht zu viel zu.
Erwerbsminderungsrente
Wenn Sie zwischen 3 und 6 Stunden arbeitsfähig sind haben Sie Anspruch auf Teilerwerbsminderungsrente. Dieses Geld ist dafür gedacht den Nachteil durch die eingeschränkte Belastungsfähigkeit auszugleichen.
Bei unter 3 Stunden Erwerbsfähigkeit haben Sie Anspruch auf “volle Erwerbsminderungsrente”, dass ist dann noch etwas mehr.
Die Erwerbsminderungsrente ist in der Regel befristet.
Reden Sie mit Ihrer Rentenversicherung
Berufliche Reha
Wenn Sie schon eine Weile auf Grund der Krankheit aus dem Job draußen sind und wieder langsam einsteigen wollen und gerade keinen Job haben könnte eine Maßnahme zur beruflichen Reha sinnvoll sein. Bei der Rentenversicherung läuft das unter dem Thema “Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben” und die RV ist der Träger und zahlt Ihnen während der Maßnahme Übergangsgeld.
Wenn Sie in Stuttgart und Umgebung wohnen, werfen Sie einen Blick auf die Angebote des “beruflichen Trainingszentrums” in Bad Cannstatt (Link BTZ).
Dort beginnt Mitte September meine 3-monatige “First Steps” Maßnahme zur beruflichen Reha.
Ich war bereits zwei mal im BTZ in den letzten 8 Jahren und habe dort sehr gute Erfahrungen gemacht und kam wieder in Arbeit.
Niederlagen und Kündigungen
Im Berufsleben eines schizophreniekranken Menschen kann es immer mal wieder zu Rückschlägen kommen.
Vor 3 Wochen hatte ich einen lukrativen Webseitenauftrag in den ich schon viel Arbeit gesteckt habe. Leider habe ich mit der Zeit sehr schlecht kommuniziert und der Kunde war sehr verärgert. Wenig später hat er die Geschäftsbeziehung beendet. Ich hätte das Geld dringend gebraucht. Ich habe mich sehr über mich geärgert und es war eine große Niederlage.
Dann habe ich es versucht zu akzeptieren. Manche Projekte scheitern einfach, das hätte jedem passieren können. Ich hab das mittlerweile verkraftet und schaue nach vorne.
Auch die vielen Kündigungen die ich im Laufe meines Berufslebens bekommen habe nahm ich nicht persönlich und machte mich bald darauf wieder auf Jobsuche.
Schwerbehindertenausweis
Denken Sie darüber nach einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Es ist verständlich dass man sich mit dem Gedanken erst mal nicht so wohl fühlt. Wer hat schon gerne den Stempel “schwerbehindert”?.
Es gibt bei so einem Ausweis aber viele Vorteile. Wenn Sie über 50% schwerbehindert sind haben sie Anspruch auf mehr Urlaub und genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Arbeitgeber die schwerbehinderte Menschen einstellen haben auch Vorteile, da sie verpflichtet sind einen Teil ihrer Arbeitsplätze behinderten Menschen zur Verfügung zu stellen.